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Schomburg, Burkhard, Prof. Dr.

Fächer: Deutsch / Englisch / Französisch

Prof. Dr. Schomburg unterrichtete von 1933 bis 1944 an unserer Schule. Er durfte den Titel „Prof.“ führen wie alle Gymnasiallehrer zur Kaiserzeit (und in Österreich und Italien heute noch). Dieser Titel wurde während der Weimarer Republik 1925 abgeschafft; wer ihn aber bereits führte, durfte ihn behalten. Nach meinen Informationen ist Schomburg der letze Lehrer gewsen, der sich noch „Professor“ nennen durfte.
In einem Tagebuchbericht aus der Kinderlandverschickung nach Abtenau wird beschrieben, wie die Amerikaner, die auf der Suche nach NS-Funktionären waren, ihn deshalb verhafteten. Kurz vorher hatte er in NS-Parteiuniform den Tod Hitlers mitgeteilt.
Er wurde von der U.S. Army für 15 Monate interniert. Sollte er in großer Nähe zur NSDAP gestanden haben, was nach allem naheliegt, so darf nicht verwundern, wenn in dem hier dokumentierten Interview von seinem Einsatz für die „Gesundung der Lebensgrundlagen unseres Volkes“ die Rede ist.

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Es folgt ein Interview, das die Redation der Schulzeitschrift „neue realität“ anlässlich seines 80. Geburtstags mit ihm führte (abgedruckt in Heft 8 / Sommer 1960):

WIR GRATULIEREN
PROF. DR. BURKHART SCHOMBURG ZUM 80. GEBURTSTAG

Als ich im Auftrage der Redaktion neben dem Schild „Schomburg“ auf den Klingel-knopf drückte, fühlte ich mich, obwohl ich sonst nicht sehr schüchtern bin, reichlich beklommen. Nach kurzer Zeit hörte ich schnelle Schritte im Flur, und die Tür wurde energisch geöffnet. Vor mir stand ein großer, schlanker Mann mit freundlichem Gesicht, den ich auf Sechzig schätzte. „Aha, der Sekretär oder ein enger Vertrauter“, dachte ich und stellte mich vor. Zu meiner Überraschung hörte ich dann, daß dieser „junge Mann“ schon der Löwe war, in dessen Höhle ich eindringen wollte. Ohne jegliches überflüssiges Zeremoniell führte er mich in sein Arbeitszimmer, und bald waren wir in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Hier das, was ich über sein Leben erfuhr:
Am 22. Mai 1880 wurde Burkhart Schomburg in Holzminden geboren. Er besuchte dort das Gymnasium. Bei seinen ersten Wanderungen, im Wesertal und im nahen Solling, vertiefte er seine angeborene Liebe zur Natur und erfuhr dabei die nachhaltigsten Eindrücke seines Lebens: die Hirschbrunft, den aus der Höhe in den See herabstürzenden Fischadler, die Fuchsfamilie, die sich vor ihrem Bau tummelt…
Im ersten Jahr des neuen Jahrhunderts erhielt er das Zeugnis der Reife und siedelte nach Freiburg über, um dort Germanistik und neuere Sprachen zu studieren. In dieser Zeit führten ihn ausgedehnte Wanderungen durch den Schwarzwald, die Vogesen und in die Schweiz, über Leipzig ging er nach Göttingen, wo er 1904 seine Doktorarbeit schrieb. Es war eine „Studie zu Shakespeares Kunst“, in der er das Lustspiel „Der Widerspenstigen Zähmung“ mit der Vorlage verglich, nach der der Dichter gearbeitet hatte. 1905 bestand er die Staatsprüfung für das höhere Lehramt und kam als Lehramtskandidat für kurze Zeit nach Münster, dann nach Höxter, damals ein Refugium für Schüler der oberen Klassen. Dort setzte man dem jungen Erzieher sofort eine Oberprima vor die Nase, in der ihn von dem Ältesten nur ein Jahr trennte. Aber dank seiner angeborenen Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, besonders mit der Jugend, hatte er die Klasse nach anfänglichen Schwierigkeiten bald für sich gewonnen.
Über Herford gelangte er 1907 nach Lüdenscheid, wo er Studienrat wurde. Er unterrichtete Deutsch, Englisch und Französisch; wandte sich dann aber immer mehr dem Deutschen und den Leibesübungen zu. Doch die Arbeit als Schulmeister konnte ihn nicht ausfüllen. Seine ungeheure Arbeitskraft wollte genutzt sein. Er gründete eine Wandervogelgruppe, einen Skiklub und leitete die Abteilung des Sauerländischen Gebirgsvereins sowie einen Schwimm- und Turnverein. Er richtete auch die 2. Jugendherberge Deutschlands in einer Turnhalle ein.
Die nächste Station seines Lebens war Lübeck. Dort und in Travemünde baute er neue Herbergen. Auch die soziale Arbeit beschäftigte ihn. Nach dem 1. Weltkrieg tat er sein Teil zur Linderung der Wohnungsnot. Er rief eine Siedlungsgenossenschaft ins Leben und errichtete in kurzer Zeit 800 Einfamilienhäuser.
1927 gab es eine ehrenvolle Unterbrechung seines Lehrdienstes. Er wurde als Bezirksjugendpfleger nach Lüneburg berufen. Nach fünf Jahren nahm er seinen Lehrberuf wieder auf und kam 1933 über Hildesheim nach Osnabrück. 1944 trat er in den Ruhestand und leitete im letzten Kriegsjahr ein Lager der Kinderlandverschickung in Abtenau. Nach einer 15 Monate währenden Internierung kehrte er nach Osnabrück zurück. Nun hatte er endlich Zeit, sich ganz seinen „Nebenberufen“ zu widmen. Für das Jugendherbergswerk führte er bis heute mehrere Hundert Wanderführerlehrgänge und musische Arbeitswochen durch. Auch die Gebirgsvereine unterstützt er mit allen Kräften. Nicht nur mit grauer Theorie – nein, trotz seiner 80 Jahre wandert er auch heute noch im Hochgebirge, besonders gern in Südtirol, wo er sich bemüht, dem bedrohten Deutschtum mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er leitet den Sternbergkreis, der sich für die Gesundung der Lebensgrundlagen unseres Volkes (sic!), für den Natur- und für den Heimatschutz einsetzt. Außerdem arbeitet Burkhart Schomburg als Schriftsteller. Folgende Bücher und Broschüren sind bisher von ihm erschienen: Begegnungen mit Menschen und Tieren – Naturparke – Auf Schneeschuhen und zu Fuß durchs Sauerland – Harzfahrten – Schülerausflüge – Wandertage für Schule und Gruppe (Handreichungen und Hinweise) – der fröhliche Tagesbeginn – Wanderkunst, Lebenskunst.
Soweit sein Leben bis heute. – Im Laufe des Gespräches stellte ich einige Fragen. Die Antworten erfolgten nicht in der Form, wie ich sie hier niederschreibe, sondern ergaben sich aus dem Gespräch.
1. Hat der Wandervogel seine Ziele erreicht?
Für die Jugend ja. Denn sie kann heute ihr Leben „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit gestalten“ – obwohl sie das nicht immer tut.
2. Welche Leitbilder würden Sie der heutigen Jugend geben?
Neben die 4 zeitlosen Ziele: Mitverantwortung, Achtung des Nächsten, Hilfsbereitschaft und Wahrhaftigkeit, tritt in unserer Zeit die Völkerverständigung. Als Mittel dazu kommt die Auslandsfahrt nur in Frage, wenn man Deutschland schon erwandert hat. Nur wer seine Heimat kennt und liebt, kann das Fremde richtig schätzenlernen.
3. Sehen Sie im Wandern immer noch einen Hauptbestandteil der Jugendbewegung?
Wandern ist die eigentlich jugendliche Lebensform, weil sich draußen nicht nur eine Fülle von Betätigungsmöglichkeiten, sondern auch Bewährungsproben für den jungen Menschen anbieten. Er kann seine Kräfte im Kampf mit der Natur messen und die Grenzen kennenlernen, die er nicht überschreiten darf.
4. Bejahen Sie politische und konfessionelle Gruppen?
Bei der Unterschiedlichkeit und ausgeprägten Eigenart unseres deutschen Volkes müssen wir mit den konfessionellen und politischen Gruppen rechnen. Aber die Gegensätze würden am ehesten gerade in Jugendgruppen an Schärfe verlieren, wenn diese Verbände wandernd Achtung vor der Überzeugung des ändern bekämen und so Brücken von Mensch zu Mensch, von Gruppe zu Gruppe oder von Land zu Land schlagen würden.
die redaktion

Quelle: „neue realität“ , Heft 8 / Sommer 1960

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