1. ruderjahr-1942
Ruderjahr 1942

Es ist sehr zu begrüßen, daß sich das Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung so sehr für den Ruderbetrieb an höheren Schulen einsetzt und versucht, das Rudern sogar als regelmäßigen Turnunterricht durchzuführen Das Rudern ist jedoch nicht die Sportart, die sich pflichtmäßig erfüllen lässt. Jemand, der zum Rudern bestimmt wird, hat niemals Freude daran. Wer sich dem Rudersport verschreibt, muß es aus freier Entscheidung tun können und darf nicht einen Zwang hinter sich fühlen. Ferner war die Zahl der Boote niemals ausreichend, um einen geregelten Ruderbetrieb an 4 Osnabrücker Oberschulen zu ermöglichen. Der Bootspark des ehemaligen Schülerrudervereins „Niedersachsen“ umfaßte bis 1942 folgende Ruderboote:

Ansch. Jahr

1928

1937

1939

 

1939

1942

Art

Riemenvierer

Riemengigvierer

geklinkerter Riemengigvierer

Riemen- und Skullgigvierer

Doppelzweier

Name

Niedersachsen

Friesenland

Memelland

 

Wendland

Rolf Hesse

Maße

1m

Länge: 10,50m, Breite: 78cm

Länge: 10,50m, Breite: 78cm

78cm

Diese Boote sind im Herbst 1940 von der Ruderübungsgemeinschaft überholt, ausgebessert und lackiert worden.

Die nächsten Berichte lassen uns die Geschichte der 13 kg Lack miterleben. Es ist nicht nur eine einfache Geschichte, wie sie wohl öfter passiert, sondern es ist eine „tragikomische Geschichte“:

„Tragisch, weil es im Kriegsjahr 1942 schon trostlos war, daß es viel Mühe kostete, 13 kg Lack zu beschaffen;“

„Komisch, weil ein Direktor 5 Monate mit Eingaben, Formblättern, Anträgen etc. kämpfen muß, nur um 13 kg Lack zu erhalten.“

In einem Schreiben an den Oberpräsidenten (Abt. f. d. höh. Schulwesen) wünscht unsere Schule einen Betrag von 1094 RM zur Beschaffung von 1 Satz Skulls, von 1 Gigzweier und einem Gigvierer und von Ersatzteilen, Dollen, Belederung, Lack und Klebemittel u.s.w. In den Berichten liegt keine Antwort auf dieses Schreiben von 29, Januar 1941 vor.

Am 16. April 1942 richtete die Schule abermals ein Schreiben an das Ministerium mit der Bitte, 7 kg Lack für die Boote in Osnabrück und 6 kg für ein im Bau befindliches Boot zu beschaffen. Es wurden also 13 kg Lack benötigt. Wie diese Geschichte weiter läuft, das möchte ich mit den Dokumenten beweisen, die uns noch zur Verfügung stehen, es könnten sonst Zweifel an der Wahrheit dieses Berichtes entstehen.

Auf das Schreiben vom 16.4. d. J. liegt keine Antwort vor, darum hat unsere Schule zum zweiten Mal eine „Bittschrift“ an das Ministerium gesandt. Für das neue Boot aus Dortmund wurden 6 kg Lack benötigt, und die Bootswerft bittet um Übersendung dieser 6 kg, weil sonst das Boot nicht fertiggestellt werden kann. Aus den nachstehenden Berichten ersehen wir nun, wie die Geschichte ihren Fortgang nahm:

Es lebe die Bürokratie.

(Papenhausen nach 1945)

 

Bootslack
Bericht vom 31.7.42
Tgb. Nr. 396/42
vom 18.7.42 Nr. 1880 II/7

20. August 42

447/42

Auf den vom Herrn Oberpräsidenten (Abtl. f. d. höh. Schulwesen) beglaubigten Formblättern sind bei der Firma Hermann Fricke und Comp. Osnabrück, Hasestr. 9 unter dem 30.7.42 und unter dem 5.8.42 je 6,5 kg Bootslack bestellt worden. Die Firma hat erklärt, daß die Lieferung „einige Zeit“ in Anspruch nehmen würde.

Die Staatl. Oberschule f. Jungen in Osnabrück besitzt augenblicklich folgende Boote:

1. Riemenvierer „Niedersachsen“, 1 m Boot, Baujahr 1928.

2. Riemenvierer „Friesenland“, 1 m Boot, Baujahr 1937.

3. Vierer zum Riemen und Skullen „Memelland“, 78 cm Boot, Baujahr 1939.

4. Vierer zum Riemen und Skullen „Wendland“, 78 cm Boot, Baujahr 1939.

5. Doppelzweier „Rolf Hesse“, Baujahr 1942.

31.Juli 1942

396/42
2 Anlagen
betr. Bootslack
Verfg. vom 18. Juli 42 1880 II/7

Der Oberpräsident
der Provinz Hannover,
Abteilung für das höhere Schulwesen

O. P. Nr. 1880 II/7.

In der Anlage übersende ich dem Herrn Oberpräsidenten (Abtl. f. d. höh. Schulwesen) 2 Formblätter Betr. Bootslack „A“ für die Beschaffung von Bootslack. Die Zusendung verzögerte sich, da ich die Formblätter „A“ bei der Reichsstelle „Chemie“ anfordern musste.

Hannover, den 18. Juli 1942
Brandstr. 23

Unter Bezugnahme auf den auf Grund des Rudererlasses vom 31. März – K I 8111 Bres./11.3.42 (2) – Mitgeteilt durch Ruderverfügung vom 2. April 1942 – O.P. Nr. 768 II/7 – angemeldeten Bedarf an Bootslack zur pfleglichen Behandlung Ihres Bootsmaterials stellt der Herr Reichserziehungsminister Ihnen aus dem ihm von der Reichsstelle „Chemie“ bei der Lackfabrik Zoellner-Werke, Berlin-Neukölln, Kölnische Allee 60/74, zugeteilten Kontingent

13 kg

Bootslack zur Verfügung.

Diese Menge ist in den Monaten Juli/August je zur Hälfte unter Benutzung des Formblattes A (Bedarfsnachweis für Lackerzeugnisse im Sinne der Anordnung 33 der Reichsstelle „Chemie“ vom 25. März 1942), das beim örtlichen Fachhandel anzufordern ist, über den örtlichen Fachhandel in Frage kommenden Fachhandel zu beziehen.
Eine Bestellung bei der obengenannten Lackfabrik kommt nicht in Frage.

Die Bescheinigung am Schluß der Rückseite des Formblattes (Organisation des Bestellers) ist durch mich zu vollziehen. Sie wollen daher mir umgehend zwei Formblätter einzusenden.

Zum 20. August (pünktlich) ist mir anzuzeigen, ob gegebenenfalls bis zu welcher Höhe die Ihnen zugeteilte Lackmenge abgerufen ist. Gleichzeitig ersuche ich, mir anzugeben, über wie viel Boote (nach Bootsarten getrennt) Sie verfügen.

Ich muß unbedingt Wert darauf legen, daß der von mir festgesetzte Termin genau eingehalten wird, da sonst die pünktliche Weiterbelieferung mit Bootslack in Frage gestellt ist.

Soweit von Ihnen außer dem Bootslack noch anderes Material (z.B. Terpentin, Schleiflack, Firnis, Lackabbeizer, Unterwasserfarbe usw.) angefordert ist, kann der geringfügige Bedarf gegen das gleiche Formblatt A beim Fachhandel gekauft werden.

Im Auftrage gez. Schurig

An den Herrn Direktor der Oberschule für Jungen in Osnabrück

 

 

 

 

 

 

9. September 1942

Betr. Bootslack
Verfg. vom 18.7.42.Nr.1888o II/7
Bericht vom 31.7.42 Nr. 447/42

In meinem Bericht vom 20.8.42 Nr. 447/42 habe ich dem Herrn Oberpräsidenten (Abtl. f. d. höh. Schulwesen) mitgeteilt, daß nach Mitteilung der Firma Herm. Fricke und in Osnabrück die Lieferung des von uns abgerufenen Bootslackes „einige Zeit“ in Anspruch nehmen würde. Heute habe ich von der Firma Fricke die Nachricht erhalten, daß der Bootslack eingetroffen ist und von uns abgeholt werden kann, was sofort geschehen wird.

Heinze

 

 

Vom 16. April bis zum 9. September hat es gedauert, 13 kg Bootslack zu beschaffen. Dieses „Dankesschreiben“ unserer Schule zeigt uns, wie sehr erfreut man war, nun doch noch zu dem gewünschten Bootslack zu kommen.

Aber die Geschichte mit dem Boot aus Dortmund scheint noch nicht zu Ende zu sein, noch galt es, das Boot nach Osnabrück zu überführen. Um den Mittellandkanal befahren zu dürfen, war eine Erlaubniskarte notwendig, die vom hiesigen Wasserstraßenamt ausgestellt wurde. Diese Karte sollte nach der Überführung wieder zurückgegeben werden, dazu folgende Schreiben:

 

 

Osnabrück, den 4. August 1942

Wasserstraßenamt Osnabrück

Gesch. Nr. 2711.VII.

An die
Staatliche Oberschule
für Jungen
in  O s n a b r ü c k
Lotterstraße 6

Auf Ihren Antrag vom 30.6.1942 hatte ich Ihnen mit Schreiben vom 30.6.1942 G. Nr. 2586 VII eine Erlaubniskarte zum Befahren des Mittellandkanals zwecks Überführung eines Sportbootes von Bergeshövede nach Osnabrück übersandt.
Da die Überführung des Bootes inzwischen erfolgt sein dürfte, bitte ich um Rückgabe der Erlaubniskarte gemäß dem Schlußsatz meines vorstehend genannten Schreibens.

 

 

 

 

 

Osnabrück, den 24. August 1942

Wasserstraßenamt Osnabrück

Gesch.- Nr. 2711.VII.

An die
Staatliche Oberschule für Jungen,
in   O s n a b r ü c k
Lotterstr.6

Mit meinem Schreiben vom 30.6.1942 G. Nr. 2586 VII hatte ich Ihnen eine Erlaubniskarte zum befahren des Mittellandkanals zwecks Überführung eines Sportbootes von Bergeshövede nach Osnabrück übersandt. Gleichzeitig hatte ich in dem Schreiben gebeten, mir die Erlaubniskarte nach erfolgter Überführung des Bootes nach Osnabrück zurückzugeben. Die Rückgabe der Erlaubniskarte ist bis heute nicht erfolgt. Auch auf mein Erinnerungsschreiben vom 4.8.1942 G. Nr. 2711 ist weder eine Antwort eingegangen, noch ist die Karte zurückgesandt worden.

Ich bitte daher hiermit nochmals dringend um umgehende Rückgabe der Erlaubniskarte.

 

 

 

28. August 1942

An das
Wasserstraßen- Amt Osnabrück
Gesch. Nr. 2711. VII.

O s n a b r ü c k

Dortiges Schreiben vom 4. u. 24.8.1942.

In der Anlage reiche ich die der Staatl. Oberschule für Jungen von dort ausgestellte Erlaubniskarte zum Befahren des Mittellandkanals zurück.

Wie vielleicht dem Wasserstraßen-Amt, Osnabrück inzwischen auch bekannt geworden sein dürfte, ist durch den Fliegerangriff vom 10. August das Gebäude der Staatl. Oberschule zerstört worden. Hierin hätte das Wasserstraßen-Amt, Osnabrück vielleicht von sich aus die Erklärung dafür finden können, daß das Schreiben vom 4.8.42 bis jetzt nicht erledigt werden konnte.

 

Mit der Zerstörung unserer Schule am 10. August 1942 enden auch die Akten und Berichte unserer Ruderriege. In kurzen Auszügen haben wir nun gesehen, daß unsere Ruderkameraden vorm 2. Weltkrieg auch mit viel Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und daß wir mit unserem „Los“ zufrieden sein können.

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