1. ruderjahr-1935
Ruderjahr 1935

Wie traurig es schon damals um den Schüler- Ruderverein bestellt war, beweist uns ein Schreiben an den Herrn Oberpräsidenten, Abteilung für das höhere Schulwesen. Hierin spiegeln sich die großen Schwierigkeiten, mit denen der Schülerruderverein damals zu kämpfen hatte. Es heißt in dem Schreiben vom 22.5.1935:

„Der seit dem Jahre 1928 an unserer Schule bestehende Schülerruderverein „Niedersachsen“ verfügt derzeit nur über ein Boot, einen Klinker-Riemenvierer. Es ist das einzige Ruderboot des Vereins. Durch den jahrelangen Gebrauch ist das Boot stark abgenutzt, Laufbretter und (Rollbretter) Rollsitze sind sehr reparaturbedürftig, ein neuer Satz Riemen ist dringend erforderlich.

Viel bedenklicher als der mangelhafte Zustand des Bootes ist die Tatsache, daß für die Mitgliederzahl des Vereins – er zählt zur Zeit 18 Mitglieder – ein Boot nicht ausreicht, um eine systematische Ausbildung der Mitglieder zu gewährleisten. Dieser Mangel trat bisher nicht so i Erscheinung, weil unsere Schüler für ihre Ruderausbildung das Bootsmaterial des Osnabrücker Rudervereins, dem unser Schülerruderverein angegliedert ist mitbenutzen konnten. Der ORV hat aber in den letzten Jahren eine starke Krise durchgemacht. Seine Mitgliederzahl und damit seine Leistungsfähigkeit ist sehr stark zurückgegangen. Das Bootsmaterial ist unzugänglich, z.T. ganz unbrauchbar geworden; eine wesentliche Besserung wird erst langsam vor sich gehen. Darunter leidet unser SRV sehr stark mit. Es muß daher unser Bestreben sein, die Anschaffung eines zweiten Bootes zu ermöglichen, wie das bei den anderen Osnabrücker Schülervereinen, am Ratsgymnasium und am Gymnasium Carolinum bereits erfolgt ist. Dadurch werden unsere Schüler unabhängig von anderen Vereinen und in den Stand gesetzt, von sich selbst aus die Ausbildung der Mitglieder vorzunehmen. Es muss das Interesse der Ruderanfänger lähmen, wenn sie im weiteren Verlauf des Sommers eigentlich nur im Kasten rudern können und kaum in das Boot kommen, weil dieses naturgemäß in erster Linie den beiden Rennmannschaften zum Training zur Verfügung stehen muss. Das Interesse für die Rudersache ist unter unseren Schülern stark im Wachstum begriffen. Fördern und stark erhalten können wir es aber nur, wenn wir on den Stand gesetzt werden, ein zweites Boot zu beschaffen. Eigene Mittel stehen uns nicht zur Verfügung, auch auf die Unterstützung aus den Kreisen der Elternschaft unserer Schule können wir so gut wie gar nicht rechnen, da unsere Schüler sich zum weitaus größten Teil aus minderbemittelten Kreisen rekrutieren.

Ich bitte darum dringend, dem Schülerruderverein „Niedersachsen“ die Mittel zur Reparatur des jetzigen Bootes und zur Anschaffung eines Zweiten Bootes zur Verfügung zu stellen.

Der Direktor

Studienrat

Eine Antwort auf dieses Schreiben liegt leider nicht vor, und ich darf wohl annehmen, daß nie eine gekommen ist, statt dessen liegt eine Niederschrift einer Besprechung vor, die noch in diesem Jahr stattfand.

Niederschrift der Besprechung mit den Schüler- Rudervereinen
am 23.9.35 bei Herrn Gosling.

Anwesend vom O.R.V.: R. Gosling, König, Gürth, die Protektoren Ob.St.R. Hackländer vom Realgymnasium und Stud.R. Dr. Völker vom Carolinum, sowie die Vorsitzenden und je 1 Mitglied der 3 Schüler-Ruder-Vereine.

Verhandlungsgrundlage bildet unsere gleichlautende Mitteilung vom 18. an die S.R.V., wonach der Gruppenführer des R.f.L., Jung, die Angliederung der SRV an den ORV verlangt. Nach eingehender Aussprache wird volle Übereinstimmung über folgende Punkte erzielt:

1.) Die Schülerrudervereine am Gymnasium Carolinum, am staatlichen Realgymnasium, und am städt. Ratsgymnasium schließen sich an den O.R.V. als selbstständige Schüler- Ruderabteilungen an. Der Name soll sich der bisherigen Vereinsbezeichnung soweit als möglich anpassen.

2.) Die innere Verwaltung der Schüler-Ruder-Abteilungen bleibt wie bisher. Die Namen der Inhaber von Ämtern (Protektoren, Abteilungsführer, Abt. Schriftführer, Abt. Kassierer, Abt. Ruderwart, Abt. Bootswart usw.) werden dem O.R.V. sofort schriftlich bekanntgegeben.

3.) Die Herren Protektoren treten zum Zwecke der engen Verbundenheit mit dem O.R.V. diesem formell als Mitglieder bei, und zählen zu dem Vereinsbeirat in Sachen Schüler- Ruderei.

4.) Das Bootsmaterial bleibt Eigentum der einzelnen Schüler- Abteilungen und darf ohne Zustimmung der Besitzer von keiner anderen Abteilung, auch nicht vom O.R.V. benutzt werden.

5.) Der O.R.V. wahrt die Belange der Schüler- Ruder- Abteilungen einzeln und insgesamt gegenüber den Übergeordneten Sportämtern, und muss deshalb über alle inneren Vorgänge (sowohl sportlicher als auch verwaltungstechnischer Art) auf dem Laufenden gehalten werden. Die S.R.V. haben sofort die gesamte Mitgliederzahl aufzugeben, damit der O.R.V. danach die nötigen Sportpässe erwerben und ausstellen kann. Die Kosten hierfür sind von den einzelnen Mitgliedern zu tragen.

6.) Die Mitgliedsbeiträge werden von den Abt.-Kassierern eingezogen und unseren Vereins-Kassierern geschlossen und regelmäßig nach besonderer Vereinbarung abgeführt. Rückstände dürfen sich nicht ansammeln, sonst haftet der Bootspark dafür.

Jede Schüler-Ruderabteilung erhält für die Amtsinhaber 4 Einheitssatzungen des O.R.V., von welchen u.a. eine für den Protektor und eine für den Abteilungsleiter bestimmt sind. Diese Satzungen sind in Zukunft maßgebend, und können nicht durch sonstige Verhaltensrichtlinien abgeändert werden.

7.) Jede Schüler-Abteilung kann ihren besonderen Bedürfnissen gerechtwerdende Verhaltungs- und Arbeitsrichtlinien für den inneren Dienst aufstellen, muß jedoch eine vom Protektor und dem Abt. Führer unterschriebene Ausfertigung dem O.R.V. zur Zustimmung vorlegen. Grundsätzliche Vorschriften, wie Ruder-, Haus- und Strafordnung, werden jedoch nur einheitlich vom O.R.V. ausgegeben.

8.) Die Einheitssatzungen schaffen an sich Gewähr für ein klares Verhältnis, jedoch können Meinungsverschiedenheiten allein schon durch die Unterbringung des, verschiedenen Besitzern gehörenden, Materials in einem Bootshause auftreten. Der O.R.V. verpflichtet sich, in solchen Fällen sofort einen Ausgleich der Meinungen in nationalsozialistischem Geiste herbeizuführen, und die Kameradschaft nicht nur innerhalb der einzelnen Abteilungen, sondern auch zwischen den Abteilungen selbst nach Kräften zu fördern. Das schließt jedoch nicht aus, daß sich, wie bisher, die einzelnen Schulen in ehrlichem, sportlichem Wettkampf miteinander messen. Der O.R.V. wird darüber wachen, dass der Sieger bescheiden bleibt und die anderen Abteilungen eine Niederlage mit Würde zu tragen verstehen. Die Führer der Abteilungen verpflichten sich, ebenfalls in diesem Geiste zu wirken.

Von dieser Niederschrift, welche nicht dem Wortlaut, aber den Sinn der obigen Besprechung wiedergibt, erhält jede Schülerabteilung 2 Durchschläge (für Protektor und Abteilungsführer) für die Akten. Einsprüche können nur bis zum 1.10.35 vom O.R.V. entgegengenommen werden.

  Osnabrück, den 24.9.35

 

Wie uns das nebenstehende Dokument zeigt, gibt es nun keinen selbstständigen Schülerruderverein „Niedersachsen“ mehr. Es war nur noch eine Ruderabteilung „Niedersachsen“ vorhanden.

An die Schülerruderabteilung „Niedersachsen“
z. Hd. d. Herrn Oberstudienrat Hackländer

O s n a b r ü c k
= = = = = = = =
Realgymnasium

Betrifft: Anschluß an O.R.V.

Wie bei der Unterredung vom 23.9.1935 besprochen, überreichen wir Ihnen hiermit zwei Niederschriften, wovon eine für Sie als Protektor, die andere für den Abteilungsführer bestimmt ist. Wir bitten Sie, dem letzteren aufzugeben, daß er sofort die genaue Mitgliederliste, die von Ihnen gegengezeichnet sein muß, aufstellt und übergibt, denn die Sportpässe sollen bis zum 30.9.1935 angefertigt sein.

Es geht in Zukunft nicht mehr an, daß die Anfänger zunächst in den Listen fortgelassen werden, weil diese sonst keinen Sportpass erhalten und dadurch nicht nur durch wegfallen aller Vergünstigungen benachteiligt werden, sondern durch verspätete Aufstellung des Sportpasses unter Umständen in eine sportlich ungünstige Altersklasse geraten. Durch die Einführung des Sportpasses soll eben unbedingt Ordnung und Klarheit im Sportwesen geschaffen werden, und es muß jeder Sporttreibende ein kleines Opfer für den Sport bringen.

Wenn trotzdem versucht werden sollte, einzelne Ruderer eine Zeitlang nicht zu melden (wie es früher leider hie und da geschah), so würde der verantwortliche Abteilungsleiter zur Rechenschaft gezogen werden. In dieser Hinsicht wird der Reichsbund für Leibesübungen, dem wir unterstellt sind und jedem Missbrauch gemeldet werden muß, rücksichtslos vorgehen. Es liegt aber auch im Interesse einer gesunden Entwicklung der Schülerabteilung selbst, dass peinliche Ordnung gehalten wird.

Im übrigen wollen wir die Zusammenarbeit mit den Schülerabteilungen so angenehm wie nur eben möglich gestalten, denn wir sind uns darüber vollkommen klar, daß nur durch verständnisvolles Eingehen auf die Belange und die jeweilige Lage der einzelnen Schülerabteilungen eine erfolgreiche Aufbauarbeit geleistet werden kann. Dazu ist aber vor allen Dingen eine gute Fühlung mit Ihnen als den Protektor notwendig. Der Protektor soll der ruhende Pol sein, der die wechselnden Geschichten seiner Schülerabteilung so genau kennt, daß er nicht nur dem Abteilungsführer sondern auch unserem Vereinsführer jederzeit ein guter Berater sein kann. Wenn alle beteiligten in diesem Sinne zusammen wirken, dann wird sich nicht nur jede Schülerabteilung zum Nutzen der Schule entwickeln, sondern es wird auch der gesamte deutsche Rudersport dadurch befrüchtet werden.

Anlage: 2 Niederschriften
4 Einheitssatzungen

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