Schmidt, Werner
 

geb. 23.09.1937 in Schlesien
Abitur 1957 in Peine
Studium der Fächer Germanistik, Geschichte und Latein in Göttingen
1964 1. Staatsexamen,
1966 2. Staatsexamen in Göttingen;
1. Oktober 1966 bis 14. Juni 1977 Dienst am Käthe-Kollwitz-Gymnasium Osnabrück;
ab 15. Juni 1977 Schulleiter am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium
In seine Amtszeit fällt der Umzug des EMA von der Lotter Straße an das Schulzentrum Sebastopol (heute Schulzentrum Sonnenhügel) an der Knollstraße.
1998 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt
verstorben am 8. November 2012

 

 Laudatio für Werner Schmidt (Karin Jabs-Kiesler)

Am 14. Mai 1998 wurde Werner Schmidt im Rahmen einer Feierstunde im Forum seiner Schule in den Ruhestand verabschiedet.
Karin Jabs-Kiesler schreibt dazu im ema-report, Ausgabe 1998:

WERNER SCHMIDT Leiter des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums 1977 -1998

Ein persönliches Wort zum Abschied

Vor nicht ganz vier Jahren reisten wir gemeinsam nach Twer. Es war eine ungemein lebendige, wunderschöneReisemit unvergeßlichenEindrücken, menschlicher Nähe angesichts russischer Gastfreundschaft. Nicht von ungefähr kommen diese Reiseerlebnisse in den Sinn, wenn es um den langjährigen Leiter unserer Schule, Herrn Oberstudiendirektor Werner Schmidt, geht. Die Feier zu seinen Ehren und aus Anlaß seiner Verabschiedung am 14. Mai 1998 hat in mehreren Ansprachen das große Engagement für die Beziehungen mit den Partnerschulen in Ost und West und für internationale Verständigung insgesamt hervorgehoben. Dieses Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch die Jahre an dieser Schule, die ihm am Herzen lag mit all ihren Schülern und deren Namen er zum Erstaunen vieler sämtlich kannte.
Die persönlichen Begegnungen in und mit Rußland hatten dabei einen besonderen Stellenwert, ähnlich wie die zu Greifswald, der Heimatregion Ernst Moritz Arndts. Die Gründe dafür sind gewiß vielfältiger Natur. Aber es ist wohl sicher, daß das Nachdenken über Krieg und Frieden, über Verständigung trotz Grenzen und belasteter Vergangenheit eine Rolle dabei gespielt hat. Gemeinsam standen wir in St. Petersburg auf dem beeindruckenden Friedhof zum Gedenken an die Toten der Blockade der Stadt während des Zweiten Weltkrieges. Und gemeinsam diskutierten wir mit einem alten Russen, mitten im Wald, wohin unsere russischen Gastgeber zum üppigen Grillfest geladen hatten, über die deutschen Gefechtsstellungen, die im Winter 1941 mitten durch diese Wälder verliefen. Der Kontrast war unbeschreiblich: Einstige Kriegsgegner unterhielten sich in entspannter und dennoch nachdenklicher Atmosphäre. In solchen Situationen fühlte Werner Schmidt sich in seinem Element, war er engagiert, offen, unverkrampft.
Ähnliche Erfahrungen gelten für Greifswald, wohin sich ein Großteil des Kollegiums – auf Initiative des Schulleiters hin – bald nach der Wende aufmachte und wo viel zu spüren war von Herzlichkeit und Offenheit, ohne die Schwierigkeiten des Zusammenwachsens, die bis heute andauern, zu überdecken. Einiges von solchen Erlebnissen ist Anfang der 90er Jahre eingeflossen in die Gestaltung des Volkstrauertages – im jährlichen Wechsel von einem der Osnabrücker Schulleiter ausgearbeitet-, als Werner Schmidt bei der Gedenkfeier in der Dominikanerkirche sich selbst eher im Hintergrund hielt, dafür aber vier seiner Schüler motivierte, sich auf russisch oder deutsch, auf niederländisch oder französisch einzubringen, um auf diese Weise den Geist der Versöhnung lebendig werden zu lassen. Wie sehr ihn wenig später die Begegnung mit Tschingis Artmatow, dem russischen Erzähler und Romanautor bewegt hat, wurde ebenfalls bei der Feier zu seiner Verabschiedung deutlich. Da schwang neben der Begeisterung über den Besuch des namhaften Schriftstellers in seiner Schule auch Stolz darauf mit, daß neunzig Minuten lang Schüler und Schülerinnen dem Autor fast atemlos zuhörten. Und da war innere Bewegtheit zu spüren, als bei einer Szene im Forum in Begleitung Aitmatows das Bekenntnis geäußert wurde: „Man muß sie lieben, diese Schüler.“ Im Gespräch mit ehemaligen und heutigen Schülern wird von dieser pädagogischen Zuwendung im weitesten Sinne etwas erkennbar. Viele heben die Hilfsbereitschaft, die Geduld und stete Freundlichkeit Werner Schmidts hervor, besonders dann, wenn es um Probleme eines einzelnen ging. Dafür hatte er immer Zeit, was übrigens nicht minder für die Sorgen einzelner Kollegen zutraf.
Andere sehen durchaus auch die Strenge des Schulleiters, sein Achten auf Disziplin und Respekt. Ein Abiturient des Jahrgangs 1998 gestand lachend in diesen Tagen, daß er immer noch auf Fotos aus der Kamera Herrn Schmidts warte, die vor Jahren entstanden seien, als auf dem Dach der Schule Berge von Papier – dort mutwillig deponiert – aus Eis und Schnee zusammengeklaubt werden mußten. Unter seiner Aufsicht, versteht sich, damit keiner vom Dach purzelte!
Besonders gern aber erinnern sich ehemalige Schüler an eine gemeinsame Reise nach Rom im Herbst 1987, die ihnen einen Schulleiter im Freizeitlook offenbarte mit Caprihemd und Turnschuhen, nicht zu reden von den kurzen Sommerhosen. Sogar der 50. Geburtstag wurde dort in lockerer Atmosphäre auf der Piazza Navona gefeiert, wobei für jeden Schüler eine Flasche Frascati abfiel. Wie tief sich diese Geburtstagsfeier ins Gedächtnis eingegraben hat, beweist die Tatsache, daß zehn Jahre später zum 60. Geburtstag einige Schüler aus der Romreisegruppe ihrem ehemaligen Schulleiter ihrerseits Frascati überreichten. Was könnte besser das gute Einvernehmen zwischen dem Pädagogen Schmidt und seinen Schülern dokumentieren? Dieses Einvernehmen zeigte sich übrigens auch in besonderer Weise bei der Abiturfeier dieses Jahrgangs im Sommer 1988. Die Abizeitung hielt nicht nur das Outfit des Romfahrers Schmidt zeichnerisch fest, sondern fügte einen von Schülerhänden gestrickten Pullover mit EMA-Wappen hinzu, der unter großem Jubel während der Abiturfeier und im Rahmen einer Art Modenschau überreicht wurde…
Aber natürlich gibt es viele weitere Höhepunkte im Leben eines Schulleiters, nicht zuletzt Schuljubiläen, wovon es 1987 und 1992 aus Anlaß des 120- und 125-jährigen Bestehens der Schule gleich zwei zu feiern gab. Beide Male waren dies Gelegenheiten, um auf die Geschichte der Schule mit der inzwischen langen Reihe von Schulleitern zurückzuschauen, auch auf die Verlagerung vom traditionellen Standort an der Lotter Straße in die Dodesheide. Ein schwieriger Wechsel zweifellos, dessen Turbulenzen Werner Schmidt über Jahre hinweg zu begleiten hatte und die er in ruhigeres Fahrwasser überzuleiten wußte, dabei immer um das Vertrauen der Eltern werbend, die als Gastgeber bei den anfangs erwähnten Partnerschaftsbeziehungen jedes Jahr aufs Neue gefordert waren und sich auch der Betreuung englischer und dänischer Studenten nicht entzogen, die an den berühmten Sprachkursen des Schulleiters während der Ferien teilnahmen. Auf den Erfolg dieser jahrelang durchgeführten Sprachkurse darf der Deutschlehrer Schmidt wohl mit Recht stolz sein.
Wir alle schulden diesem Schulleiter nicht nur dafür Dank. Welche Anerkennung er sich in über zwanzig Jahren Schulleitung am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in dieser Stadt und Region erworben hat, das zeigte in bewegender Weise die festliche und fröhliche Feier zu seiner Verabschiedung im Forum und Lehrerzimmer. Die Anwesenheit des Oberbürgermeisters der Stadt Osnabrück, mehrerer Dezernenten der Bezirksregierung, nahezu aller Schulleiterkollegen aus Stadt und Landkreis, des Vorstandes des Fördervereins und natürlich des Kollegiums sowie einer Reihe Schülerinnen und Schüler bewies dies eindrucksvoll. „Wir wissen, wir können die Aufgaben der Zukunft nur lösen, indem wir uns unserer eigenen Geschichte in der unauflösbaren Verbindung von Geschichte und Geschehen bewußt bleiben.“ So ist es zu lesen in dem Vorwort Werner Schmidts zur Jubiläumsfestschrift 1992. Dem Wunsch für einen erfüllten Ruhestand schließt sich die Versicherung an, in diesem Sinne der Geschichte des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums auch in Zukunft verpflichtet zu bleiben.

 

gez. Karin Jabs-Kiesler

aus: ema-report 1998, S. 9ff

„Man kann sie nur lieben!“ Das sagte Werner Schmidt zu dem kirgisischen Autor Tschingis Aitmatow, als dieser 1991 zu einer Lesung aus seinem Buch „Dshamilja“ am EMA war.
Dieser Satz kennzeichnet Schmidts Einstellung zu Schülerinnen und Schülern und auch zu Menschen außerhalb der Schule. Werner Schmidt war ein Philanthrop, ein Menschenfreund, persönlich allen Schülern – er kannte sie alle mit Namen – und seinen Kollegen zugewandt, immer ein offenes Ohr. Für Leute in Bedrängnis war er ohne Vorbehalte da: „Ich bin ich, darum bin ich gut.“ Das gab er Schülern mit Schwierigkeiten mit auf den Weg.
1977 wechselte Werner Schmidt vom damaligen Käthe-Kollwitz-Gymnasium als Schulleiter an das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, damals noch an der Lotter Straße. Bereits hier kümmerte er sich um Schüler und Lehrkräfte, die aus anderen Ländern zu uns kamen. Weil seit 1965 Russisch angeboten wurde, kamen viele Russlanddeutsche ans EMA. Schmidt schuf die Grundlage für die Integration der Russlanddeutschen und später auch vieler anderer Nationalitäten bereits ab Ende der 70er Jahre.
Als Angehöriger der Kriegsgeneration hat er die Flucht der Familie aus Schlesien und die Bombennächte miterleben müssen. Und als Angehöriger dieser Kriegsgeneration spürte er deutlich Verantwortung gegenüber den europäischen Nachbarn. Also unterstützte er Austauschbegegnungen mit Franzosen, Niederländern, Russen und Briten, und er lud Schüler aus Dänemark, Schweden und Großbritannien für den Pädagogischen Akademischen Auslandsdienst zu Sprachkursen ans EMA ein. 1984 nahm er zusammen mit anderen Lehrkräften Kontakt zu der damaligen Stedelijk Scholengemeenschap in Zutphen in den Niederlanden auf. Mir ist der Satz seines Schulleiterkollegen Jelte Moesker in Erinnerung geblieben, als er den Trinkspruch ausgab: „Wir arbeiten daran, eine der am wenigsten überwundenen Grenzen im Westen Europas zu durchdringen, die zwischen Deutschen und Niederländern.“ 1984 war das noch so. Aufgewachsen mit der Spaltung Deutschlands war ihm die deutsche Einheit ein Herzensanliegen. Schon vor dem Mauerfall, es war Oktober 1989, unterstützte er Schüler, die eine Schulpartnerschaft mit der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule in Greifswald einfädelten.
In die Amtszeit Schmidts fällt die Planung des Schulzentrums „Sebastopol“ an der Knollstraße und der Umzug von der Lotter Straße dorthin sowie die Neueinrichtung der Schule am neuen Standort. Bei allen Diskussionen betonte Schmidt stets die Eigenständigkeit des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums.
Große Feiern um seine Person mochte er nicht, aber seinen 50. Geburtstag feierte mit einer aus 55 Personen bestehenden Studienfahrtengruppe auf der Piazza Navona in Rom – ein unvergesslicher Abend für alle, die dabei waren.
1998 trat Werner Schmidt aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, nachdem er sich schon seit August 1997 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sah, die Schule zu leiten.
Er fand ein neues Betätigungsfeld: Als Germanist, Literaturkenner, Altphilologe und Latinist mit Leib und Seele suchte er Verbindungslinien zwischen römischer Mythologie, antiken Mysterien und deutschen Märchen und betätigte sich im Vorstand der Deutschen Märchengesellschaft. Hin und wieder schickte er mir Übersetzungen lateinischer Textstellen und seine Interpretationen von Märchen und römischen Mythen: Die Bewunderung Roms hat uns verbunden. An seinem 75. Geburtstag haben wir uns an schöne Begebenheiten in Rom erinnert und daran gedacht, dass er auf den Tag 2000 Jahre nach Augustus geboren wurde, am 23. September 1937.
Am 8. November 2012 ist Werner Schmidt nach langer und schwerer Krankheit verstorben.

Helmut Brammer-Willenbrock

 

 

Menü