Laudatio für Werner Schmidt (Karin Jabs-Kiesler)
Am 14. Mai 1998 wurde Werner Schmidt im Rahmen einer Feierstunde im Forum seiner Schule in den Ruhestand verabschiedet.
Karin Jabs-Kiesler schreibt dazu im ema-report, Ausgabe 1998:
WERNER SCHMIDT Leiter des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums 1977 -1998
Ein persönliches Wort zum Abschied
Vor nicht ganz vier Jahren reisten wir gemeinsam nach Twer. Es war eine ungemein lebendige, wunderschöneReisemit unvergeßlichenEindrücken, menschlicher Nähe angesichts russischer Gastfreundschaft. Nicht von ungefähr kommen diese Reiseerlebnisse in den Sinn, wenn es um den langjährigen Leiter unserer Schule, Herrn Oberstudiendirektor Werner Schmidt, geht. Die Feier zu seinen Ehren und aus Anlaß seiner Verabschiedung am 14. Mai 1998 hat in mehreren Ansprachen das große Engagement für die Beziehungen mit den Partnerschulen in Ost und West und für internationale Verständigung insgesamt hervorgehoben. Dieses Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch die Jahre an dieser Schule, die ihm am Herzen lag mit all ihren Schülern und deren Namen er zum Erstaunen vieler sämtlich kannte.
Die persönlichen Begegnungen in und mit Rußland hatten dabei einen besonderen Stellenwert, ähnlich wie die zu Greifswald, der Heimatregion Ernst Moritz Arndts. Die Gründe dafür sind gewiß vielfältiger Natur. Aber es ist wohl sicher, daß das Nachdenken über Krieg und Frieden, über Verständigung trotz Grenzen und belasteter Vergangenheit eine Rolle dabei gespielt hat. Gemeinsam standen wir in St. Petersburg auf dem beeindruckenden Friedhof zum Gedenken an die Toten der Blockade der Stadt während des Zweiten Weltkrieges. Und gemeinsam diskutierten wir mit einem alten Russen, mitten im Wald, wohin unsere russischen Gastgeber zum üppigen Grillfest geladen hatten, über die deutschen Gefechtsstellungen, die im Winter 1941 mitten durch diese Wälder verliefen. Der Kontrast war unbeschreiblich: Einstige Kriegsgegner unterhielten sich in entspannter und dennoch nachdenklicher Atmosphäre. In solchen Situationen fühlte Werner Schmidt sich in seinem Element, war er engagiert, offen, unverkrampft.
Ähnliche Erfahrungen gelten für Greifswald, wohin sich ein Großteil des Kollegiums – auf Initiative des Schulleiters hin – bald nach der Wende aufmachte und wo viel zu spüren war von Herzlichkeit und Offenheit, ohne die Schwierigkeiten des Zusammenwachsens, die bis heute andauern, zu überdecken. Einiges von solchen Erlebnissen ist Anfang der 90er Jahre eingeflossen in die Gestaltung des Volkstrauertages – im jährlichen Wechsel von einem der Osnabrücker Schulleiter ausgearbeitet-, als Werner Schmidt bei der Gedenkfeier in der Dominikanerkirche sich selbst eher im Hintergrund hielt, dafür aber vier seiner Schüler motivierte, sich auf russisch oder deutsch, auf niederländisch oder französisch einzubringen, um auf diese Weise den Geist der Versöhnung lebendig werden zu lassen. Wie sehr ihn wenig später die Begegnung mit Tschingis Artmatow, dem russischen Erzähler und Romanautor bewegt hat, wurde ebenfalls bei der Feier zu seiner Verabschiedung deutlich. Da schwang neben der Begeisterung über den Besuch des namhaften Schriftstellers in seiner Schule auch Stolz darauf mit, daß neunzig Minuten lang Schüler und Schülerinnen dem Autor fast atemlos zuhörten. Und da war innere Bewegtheit zu spüren, als bei einer Szene im Forum in Begleitung Aitmatows das Bekenntnis geäußert wurde: „Man muß sie lieben, diese Schüler.“ Im Gespräch mit ehemaligen und heutigen Schülern wird von dieser pädagogischen Zuwendung im weitesten Sinne etwas erkennbar. Viele heben die Hilfsbereitschaft, die Geduld und stete Freundlichkeit Werner Schmidts hervor, besonders dann, wenn es um Probleme eines einzelnen ging. Dafür hatte er immer Zeit, was übrigens nicht minder für die Sorgen einzelner Kollegen zutraf.
Andere sehen durchaus auch die Strenge des Schulleiters, sein Achten auf Disziplin und Respekt. Ein Abiturient des Jahrgangs 1998 gestand lachend in diesen Tagen, daß er immer noch auf Fotos aus der Kamera Herrn Schmidts warte, die vor Jahren entstanden seien, als auf dem Dach der Schule Berge von Papier – dort mutwillig deponiert – aus Eis und Schnee zusammengeklaubt werden mußten. Unter seiner Aufsicht, versteht sich, damit keiner vom Dach purzelte!
Besonders gern aber erinnern sich ehemalige Schüler an eine gemeinsame Reise nach Rom im Herbst 1987, die ihnen einen Schulleiter im Freizeitlook offenbarte mit Caprihemd und Turnschuhen, nicht zu reden von den kurzen Sommerhosen. Sogar der 50. Geburtstag wurde dort in lockerer Atmosphäre auf der Piazza Navona gefeiert, wobei für jeden Schüler eine Flasche Frascati abfiel. Wie tief sich diese Geburtstagsfeier ins Gedächtnis eingegraben hat, beweist die Tatsache, daß zehn Jahre später zum 60. Geburtstag einige Schüler aus der Romreisegruppe ihrem ehemaligen Schulleiter ihrerseits Frascati überreichten. Was könnte besser das gute Einvernehmen zwischen dem Pädagogen Schmidt und seinen Schülern dokumentieren? Dieses Einvernehmen zeigte sich übrigens auch in besonderer Weise bei der Abiturfeier dieses Jahrgangs im Sommer 1988. Die Abizeitung hielt nicht nur das Outfit des Romfahrers Schmidt zeichnerisch fest, sondern fügte einen von Schülerhänden gestrickten Pullover mit EMA-Wappen hinzu, der unter großem Jubel während der Abiturfeier und im Rahmen einer Art Modenschau überreicht wurde…
Aber natürlich gibt es viele weitere Höhepunkte im Leben eines Schulleiters, nicht zuletzt Schuljubiläen, wovon es 1987 und 1992 aus Anlaß des 120- und 125-jährigen Bestehens der Schule gleich zwei zu feiern gab. Beide Male waren dies Gelegenheiten, um auf die Geschichte der Schule mit der inzwischen langen Reihe von Schulleitern zurückzuschauen, auch auf die Verlagerung vom traditionellen Standort an der Lotter Straße in die Dodesheide. Ein schwieriger Wechsel zweifellos, dessen Turbulenzen Werner Schmidt über Jahre hinweg zu begleiten hatte und die er in ruhigeres Fahrwasser überzuleiten wußte, dabei immer um das Vertrauen der Eltern werbend, die als Gastgeber bei den anfangs erwähnten Partnerschaftsbeziehungen jedes Jahr aufs Neue gefordert waren und sich auch der Betreuung englischer und dänischer Studenten nicht entzogen, die an den berühmten Sprachkursen des Schulleiters während der Ferien teilnahmen. Auf den Erfolg dieser jahrelang durchgeführten Sprachkurse darf der Deutschlehrer Schmidt wohl mit Recht stolz sein.
Wir alle schulden diesem Schulleiter nicht nur dafür Dank. Welche Anerkennung er sich in über zwanzig Jahren Schulleitung am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in dieser Stadt und Region erworben hat, das zeigte in bewegender Weise die festliche und fröhliche Feier zu seiner Verabschiedung im Forum und Lehrerzimmer. Die Anwesenheit des Oberbürgermeisters der Stadt Osnabrück, mehrerer Dezernenten der Bezirksregierung, nahezu aller Schulleiterkollegen aus Stadt und Landkreis, des Vorstandes des Fördervereins und natürlich des Kollegiums sowie einer Reihe Schülerinnen und Schüler bewies dies eindrucksvoll. „Wir wissen, wir können die Aufgaben der Zukunft nur lösen, indem wir uns unserer eigenen Geschichte in der unauflösbaren Verbindung von Geschichte und Geschehen bewußt bleiben.“ So ist es zu lesen in dem Vorwort Werner Schmidts zur Jubiläumsfestschrift 1992. Dem Wunsch für einen erfüllten Ruhestand schließt sich die Versicherung an, in diesem Sinne der Geschichte des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums auch in Zukunft verpflichtet zu bleiben.
gez. Karin Jabs-Kiesler
aus: ema-report 1998, S. 9ff