Die Namensgebung 1957

Den Einband der im Jahre 1967 erschienenen Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums ziert nicht etwa der Kopf des Namensgebers, sondern der des Gründers der Schule, Johannes Miquel. Namensgebung und Namenspatron sind dem Herausgeber der Schrift, Walter Kaufmann, nur wenige Zeilen wert, während die Gründung der Schule und ihre Vorgeschichte ausführlich behandelt werden. Der Name „Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium“ war auch offenbar 10 Jahre nach der Umbenennung noch nicht richtig an der Schule angekommen. Tatsächlich erscheint die Umbenennung der Schule in Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium im Jahre 1957 aus heutiger Sicht als glatter Fehlgriff. Ernst Moritz Arndt war ein überzeugter Antisemit und glühender Franzosenhasser, der den Völkerhass zur nationalen Anstandspflicht erhob. Bei aller Berücksichtigung der historischen Zusammenhänge der napoleonischen Besatzungszeit, die hier aus Platzgründen nicht näher dargelegt werden können, erscheinen Arndts politische Auslassungen doch ungeeignet als Orientierung für Schülerinnen und Schüler einer Europaschule, wie das EMA sich heute nennen darf. 1957 mag das anders gewesen sein. Deutschland war geteilt. Die Supermächte standen sich in ideologischer Feindschaft gegenüber. Damals erinnerte Dr. Friedrich Erdmann (Abiturient des Realgymnasiums des Jahres 1925), einer der Osnabrücker Ratsherren, die die Entscheidung zur Umbenennung der Schule herbeigeführt hatten, daran, „dass wir mit den Brüdern und Schwestern jenseits des Eisernen Vorhangs ein gemeinsames Vaterland haben und dass wir ihnen im Kampf gegen Diktatur und Unfreiheit nur helfen können, wenn wir einig sind und uns nicht mit Diffamierungen und Gehässigkeiten gegenseitig bekämpfen und dabei das gemeinsame Ziel aus dem Auge verlieren: Die Wiedervereinigung aller Deutschen in Einheit und Freiheit!“ (siehe Zeitungsartikel auf S. 23) Das war in der Tat ganz im Sinne von Arndt, der ja auch gefordert hatte: „Das ganze Deutschland soll es sein!“

Daran sieht man, dass die Namensgebung vor allem eine politisch-ideologische Stoßrichtung hatte und ihre Motive im Kalten Krieg zu suchen sind. Dass möglicherweise auch ein eher banaler Grund, nämlich die räumliche Nähe des Schulgebäudes zur Arndt-Straße, ausschlaggebend war, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die gegenwärtigen Lehrer- und vor allem Schülergenerationen, die in einem vereinten Europa aufwachsen, können Ernst Moritz Arndt jedoch nicht mehr viel abgewinnen. Seine Auslassungen über die Juden sind abstoßend, sein pathologischer Franzosenhass ist – vor allem gegenüber den Partnerschulen im französischen Angers – ausgesprochen peinlich. Dennoch steht eine erneute Umbenennung der Schule zur Zeit nicht zur Debatte. Die Namensgebung war politisch-ideologisch motiviert. Sie war zumindest aus heutiger Sicht falsch. Vielleicht wäre es besser für uns und unsere Schule, wenn man damals den Gründer der Schule, Johannes Miquel, als Namenspatron gewählt hätte, wie es auch zur Diskussion stand. Aber eine politisch-ideologisch motivierte Namensgebung ist auch durch eine ebenso motivierte Umbenennung 50 Jahre später nicht rückgängig zu machen. Vielmehr sollte der Name immer wieder Anlass sein, uns mit der Person Ernst Moritz Arndts ebenso wie mit unserer Geschichte kritisch auseinanderzusetzen, um auf diese Weise Völkerhass und Rassendiskriminierung zu überwinden. Aus der Losung Arndts: „Das ganze Deutschland soll es sein!“ könnte am EMA das völkerverbindende Motto werden: „Das ganze Europa soll es sein!“

125 Jahre Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium. Versuch einer Standortbestimmung aus historischer Sicht (ein Artikel aus der Festschrift zum 125-Jahr-Jubiläum 1992)

Der vollständige Aufsatz liegt hier als PDF-Dokument vor.

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