1. Jubiläumsfeiern
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1942: 75-Jahr-Feier

Die 75-Jahr-Feier der Schule fand ganz im Zeichen des Krieges statt. Das Schulgebäude war am 10. August 1942 durch einen Bombenvolltreffer ausgebrannt und völlig zerstört worden, so dass die Feier in das Carolinum, dessen Räume vielen Klassen zugewiesen worden waren und mit dem die Schule auch bei der Kinderlandverschickung zusammenarbeitete, verlegt wurde. Warum sie erst am 5. Dezember stattfand und nicht am 28. Oktober (das ist der Jahrestag der Gründung 1867), wird nicht deutlich.
Eine Einladung zum Jubiläum war nicht herausgegeben worden, und anders als 1937 ist die Feier im vierten Kriegsjahr „schlicht“, wie sie beschrieben wird – immerhin sind Dutzende Schüler und auch mehrere Lehrer, die zur Wehrmacht eingezogen waren oder sich auch freiwillig gemeldet hatten, bereits tot, „gefallen“ oder, wie man damals formulierte, waren „den Heldentod gestorben“. In den Festreden wird die Kameradschaft beschworen und das „Heldentum“ der Toten der Kriege von 1870/71, 1914/18 sowie des dreieinhalb Jahre zuvor von Hitlerdeutschland begonnenen Krieges. Dieser wird nicht als das beschrieben, was er ist, als erbarmungsloser und vom Rassenwahn motivierter Vernichtungskrieg, sondern es ist die Rede von dem „gegenwärtigen gewaltigen Ringen unseres Volkes um seine Existenz“ und so wird die „feste, soldatische Erziehung der Jungen“ propagiert und „der wehrgeistigen Erziehung im Unterricht“ das Wort geredet. Deshalb werden auch ehemalige Schüler, denen die Tapferkeitsauszeichnung „Ritterkreuz“ verliehen worden war, in den Mittelpunkt der Feier gerückt. Und Leutnant Siegfried Gerke** erfährt durch einen Anruf aus Berlin, der ihn ganz zufällig auf der Feier erreicht, dass auch ihm das Ritterkreuz veriehen wurde – was für eine Inszenierung, die ihre Wirkung auf die Anwesenden nicht verfehlt haben dürfte. Übrigens enthält das Mitteilungsheft zu fast zwei Dritteln seines Umfangs Nachrufe auf die gefallenen Ehemaligen.

Es folgt eine Transkription des Berichts über die Jubiläumsfeiern am 5. Dezember 1942 aus dem „Mitteilungsblatt der Staatlichen Oberschule für Jungen (früher Realgymnasium) zu Osnabrück und der Vereinigung ehem. Schüler“, Doppelnummer 9/10, „Feldpostausgabe“, April 1943, S. 5-6. Ein Faksimile des Artikels finden Sie unten – (bitte hier oder in das Vorschaubild rechts klicken).

75-Jahr-Feier der Staatlichen Oberschule für Jungen.

Die 75jährige Jubiläumsfeier unserer Schule stand im Zeichen der Ehrung der beiden ehemaligen Schüler und Ritterkreuzträger Major der Luftwaffe Schellmann und Oberleutnant der Luftwaffe Leesmann, von denen der erstere von einem Feindflug im Osten nicht zurückgekehrt ist. Gegen Schluß der Schulfeier erhielt Leutnant Siegfried Gerke*, der als ehemaliger Schüler der Anstalt der Feier beiwohnte, die fernmündliche Nachricht, daß ihm das Ritterkreuz verliehen sei. Die Schule brachte als erste dem jungen Ritterkreuzträger die herzlichsten Glückwünsche für seine hohe Tapferkeitsauszeichnung dar. Sieben Ritterkreuzträger sind bis jetzt aus den Reihen der ehemaligen Schüler der Anstalt hervorgegangen, außer den vorgenannten noch Major Meiners, Hauptmann der Luftwaffe Antrup, Hauptmann Hehmeyer und Hauptmann Durmann. Anläßlich der 75. Wiederkehr des Gründungstages unserer Schule kamen Lehrer und Schüler der Anstalt am Vormittag des 5. Dezember 1942 in der Aula des Gymnasiums Carolinum zu einer schlichten, dem Charakter der Zeit angepaßten Feier zusammen, zu der Einladungen nicht ergangen waren. Zwei Mitglieder des Schulorchesters, Koch (7a) und Schäfer (6a), leiteten die Feier ein durch den Vortrag von „zwei Sätzen aus der Sonate in D-dur für Violine und Klavier“ von Händel. Studienrat Büsing, ehemaliger Schüler der Anstalt, gab alsdann einen Überblick über die wichtigsten Abschnitte aus der Geschichte der Schule, die als eine Schule des Volkes seit 1867, dem Jahre ihrer Gründung, bis auf den heutigen Tag stets auf das engste mit dem Geschicke des deutschen Volkes verknüpft gewesen ist. Er kennzeichnete weiter die für die Geschicke des deutschen Volkes so bedeutungsvollen Jahre von 1867 bis 1942, eine Zeit, in der sich die Schule von der „Städtischen Realschule zweiter Ordnung“ bis zur „Staatlichen Oberschule für Jungen“ entwickelte.
Der allmählich um die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Erscheinung tretenden Umstellung der Stadt Osnabrück von einer Acker- zur Handels-und Industriestadt und dem weitsichtigen Blickihres damaligen Bürgermeisters Miquel, des späteren preußischen Ministers, verdankte die Städtische Realschule zweiter Ordnung ihr Entstehen.
Am 28. Oktober 1867, 9 Uhr morgens, wurde die Realschule in dem provisorischen Schulhaus, dem früheren Haus des Architekten Merkel (Kolpinghaus), in der Seminarstraße feierlich eröffnet. Die um jene Zeit schon am damaligen Ratsgymnasium eingerichteten Realschulklassen lieferten der neuen Schule den Grundstock, der durch die Aufnahme von 210 neuangemeldeten Schülern evangelischer und katholischer Konfession erweitert wurde. Die neue Schule wurde somit als „kommunale“, d.h. Gemeinschaftsschule gegründet.
Nach Schluß der Osterferien 1870 siedelte die Schule dann in ihr eigentliches Gebäude an der Lotter Straße um. Einer der ersten Schüler der Realschule, unser Heimatschriftsteller Hermann Schröder, hat diesen Umzug recht anschaulich in seinem Buch „Aultossenbrügge“ geschildert.
Die erste Reifeprüfung wurde an der Schule am 18. März 1871 abgelegt. Den Abiturienten gestattete das Reifezeugnis allerdings nur das Studium der Mathematik, der Naturwissenschaften und der neueren Sprachen.
Die Jahre nach dem siegreichen Krieg 1879/71, die sogenannten Gründerjahre, die dem bisher so bescheidenen Osnabrück nun vollends den Charakter einer aufblühenden, wohlhabenden Industriestadt gaben, mußten sich naturgemäß äußerst günstig auf die weitere Entwicklung der Schule auswirken.
Nachdem dann Studienrat Büsing die „Höhere Schule“ vor dem Weltkrieg in großen Zügen charakterisiert hatte, wobei er seine Ausführungen durch Erinnerungen und Erlebnisse aus seiner eigenen Schulzeit auf dem Realgymnasium ergänzte, zog er eine Parallele zwischen der Schule von damals und heute. Vergleiche zwischen den „Schulgesetzen von 1867“ und der „Schulordnung von 1919“ ließen klar den Wandel erkennen, der sich bereits in jenen Jahren im inneren Schulleben vollzogen hatte.
Doch zwischen 1914 und heute liegt Deutschlands Zeit der tiefsten Erniedrigung, die Systemzeit. Redner (sic) behandelte ausführlich die Gründe, die ausgerechnet in dieser Zeit des allgemeinen Verfalls zu der Entwicklung des „Königlichen Realgymnasiums“ zu einer großen Doppelanstalt, dem „Staatlichen Reformrealgymnasium verbunden mit Oberrealschule“ führten.
Die nationalsozialistische Revolution 1933 gab der Schule nicht nur ihren heutigen Namen, sondern auch ihr neues Gepräge. Und die Jugend fand zuerst den Weg in die neue Zeit, wie die Jugend sich immer einsetzt – wenn es sein muß, mit dem Leben – für neue, hohe Ideale.
Mit einer Ehrung der gefallenen Lehrer und ehemaligen Schüler der Anstalt, die in den Kriegen 1870/71, 1914/18 und in dem gegenwärtigen gewaltigen Ringen unseres Volkes um seine Existenz ihr Leben dem Vaterlande opferten, beschloß der Redner seine Ausführungen.
Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Heilig Vaterland“ überreichte Hauptmann der Luftwaffe Steinig im Auftrage des Luftfahrtministeriums dem Leiter der Schule, Oberstudiendirektor Dr. Heinze, die Bilder der Ritterkreuzträger Major der Luftwaffe Schellmann und Oberleutnant der Luftwaffe Leesmann in der Hoffnung, daß die Jugend die Helden dieses Krieges sich stets zum Vorbild nehmen wird.
Oberstudiendirektor Dr. Heinze ergriff, nachdem Kröger (7a) das Gedicht „Am Lagerfeuer“ von Anacker vorgetragen hatte, anschließend das Wort zu einer kurzen Ansprache. Zunächst dankte er Hauptmann Steinig für die der Schule überreichten Bilder der Ritterkreuzträger, um dann auch seinerseits den Unterschied in der schulischen Erziehung einst und jetzt besonders herauszustellen, indem er das Erziehungsideal der heutigen Schule mit dem der Schule in den Gründerjahren verglich. Heute fordert die Schule eine feste, soldatische Erziehung der Jungen, und der wehrgeistigen Erziehung im Unterricht kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Mit dem Gelöbnis treuester Gefolgschaft gegenüber dem Führer und dem Singen der Nationalhymnen (sic) fand die schlichte, aber stimmungsvolle Feier ihren Abschluß.

* Büsing hat die Schulchronik für die Kriegszeit 1939-1945 verfasst. Nach Aussage von Dieter Rieke, eines ehemaligen Schülers, war Büsing „ein strammer Nazi“.

** Im Sommer 2015 ist im Landkreis Osnabrück ein Gedenkstein für Siegfried Gerke aufgefunden worden, berichtet die NOZ in ihrer Ausgabe vom 01.09.2015.

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